Hier ist ein Ausschnitt aus den Kapiteln "Die Entwicklung der Harfe" aller Epochen zu sehen. Im Buch sind diese Texte jedoch farbig gestaltet und mit diversen Abbildungen versehen. Viel Spass beim Lesen!
In Ägypten und Mesopotamien sind Harfen seit ca. 3000 vor Christus bekannt. In Europa können Harfen erstmals im 9. Jahrhundert nach Christus nachgewiesen werden. Der damalige Ausgangspunkt der Entwicklung waren die Britischen Inseln. Von dort aus verbreitete sich das Instrument langsam auch aufs Festland. Die europäischen Harfen hatten im Gegensatz zu den Harfen in Ägypten und Mesopotamien eine Säule und waren somit um einiges stabiler. Vor 1600 war die Harfe hauptsächlich dazu da, eine Sängerin oder einen Sänger zu begleiten oder in einer Kammermusikformation Tanzmusik aufzuführen. In den kommenden Epochen etablierte sich die Harfe jedoch immer mehr auch als eigenständiges Soloinstrument.
Im Zeitalter des Barock hatte die Harfe anderen mehrstimmigen Instrumenten gegenüber einen grossen Nachteil. Sie war diatonisch gestimmt. Das heisst, dass während eines Stücks nur die sieben Stammtöne der jeweiligen Tonart (z.B. in C-Dur: C, D, E, F, G, A, H) gespielt werden konnten. Es war aber nicht möglich, im selben Stück eine chromatische Note (z.B. Fis, Cis, Es, As) einzufügen, ohne mit dem Stimmschlüssel die Saite umzustimmen. So waren die Harfenbauer gezwungen, eine Lösung zu finden.
Vor allem in Spanien und Italien waren sie dabei sehr kreativ. Spanien kannte schon seit dem 14. Jahrhundert zweireihige Harfen. Die eine Saitenreihe wurde diatonisch, die andere chromatisch gestimmt. Mit dieser Variante kamen die Musiker im Barock aber schon bald an ihre Grenzen. Deshalb wurden die beiden Saitenreihen gekreuzt, was dazu führte, dass man nicht mehr durch die Saiten hindurch greifen musste, um chromatische Noten zu spielen. Es entstand die sogenannte „arpa de dos ordenes“. Auch in Italien war die zweireihige Harfe, die „arpa doppia“ weit verbreitet. Es stellten sich hier aber ähnliche Probleme, sodass an einer Verbesserung des Instruments gearbeitet wurde. Im 16. Jahrhundert erfand Luc Antoine Eustache die Tripelharfe. Diese hat drei Saitenreihen: aussen je eine diatonische und in der Mitte eine chromatische. Diese Tripelharfe wurde schon bald nach Grossbritannien exportiert und verbreitete sich dort rasch. Noch bis ins 20. Jahrhundert wurde sie vor allem in Wales gespielt. Die oben beschriebenen Harfen gehören alle zu den chromatischen Harfen. Eine chromatische Harfe hat im Gegensatz zur heutigen Harfe zusätzliche Saiten um chromatische Töne zu erzeugen. Für Volksmusik wurde jedoch auf den Britischen Inseln und in Österreich weiterhin die einfachbesaitete Harfe verwendet.
In der Zeit des Barocks hatte die Harfe in grossen Teilen Europas mehrere Saitenreihen. Im deutschsprachigen Alpenraum kannten die Harfenisten aber noch keine chromatischen Harfen. Da sie vor allem Volksmusik spielten und kaum tonartfremde Töne benötigten, waren diese für sie nicht interessant. In der Volksmusik stehen aber die verschiedenen Teile eines Stücks alle in einer anderen Tonart. Deshalb ist es wichtig, die Tonart auf der Harfe möglichst schnell wechseln zu können. Aus diesem Grund erfanden die Tiroler eine Variante, die für sie viel geeigneter war als die chromatische Harfe: die Hakenharfe. Die Haken waren am oberen Ende der Saiten angebracht und konnten die Saiten durch Umklappen verkürzen: Der neue Ton war einen halben Ton höher. Auf diese Weise konnte man am Anfang eine Tonart einstellen und ohne weitere Hindernisse immer in derselben Tonart spielen. Diese Harfe wurde in Es-Dur gestimmt. So konnten die meistgebrauchten Tonarten (Es-Dur bis E-Dur) gespielt werden. Der grosse Nachteil dieser Variante bestand darin, dass die linke Hand von den Saiten weg musste, sobald ein Haken verstellt wurde. In einem C-Dur-Stück stand der zweite Teil normalerweise in G-Dur. Dies erforderte beim Teilübergang eine Umstellung aller F-Haken, was in so kurzer Zeit kaum möglich war. Heute wird die Hakenharfe vor allem als Einsteigerinstrument und in der irischen Volksmusik verwendet.
Nun wurde eine Lösung gesucht, Saiten umzustimmen, ohne dafür die Hände zu benutzen. So erfand der in Donauwörth (Süddeutschland) lebende Jacob Hochbrucker um 1700 die Einfachpedalharfe. Dabei machte er eigentlich nichts anderes, als die Haken mit Pedalen zu verbinden. Somit konnte die Tonhöhe mithilfe der bis jetzt untätigen Füsse verstellt werden. Es gab für jeden Stammton ein Pedal. Wenn das Pedal nach unten gedrückt wurde, erhöhten sich die entsprechenden Saiten um einen Halbton. Auch die Einfachpedalharfe wurde in Es-Dur gestimmt. Noch heute wird diese Harfe im Tirol und in Süddeutschland oft gespielt, da die Volksmusiktradition mit Harfe dort nach wie vor sehr lebendig ist.
Die Söhne Hochbruckers machten die Harfe auf ihren vielen Auslandreisen bekannt. Besonders beliebt war sie in Paris, wo sie schon bald der chromatischen Harfe vorgezogen wurde. Die adligen Damen fanden grossen Gefallen am Harfenspiel und es gehörte zum guten Ton, Harfenunterricht zu nehmen. In Paris wurden anlässlich sogenannter „concerts spirituels“ neue Kompositionen vorgestellt. Dabei fällt auf, dass ähnlich viele Stücke für Harfe wie für Klavier gespielt wurden. Demzufolge hatte die Harfe einen sehr hohen Stellenwert. Deshalb versuchten auch in Frankreich verschiedene Instrumentenbauer, die Einfachpedalharfe immer weiter zu verbessern. Zu ihnen gehörten Georges Cousineau, Sébastien Erard, Jean-Henry Naderman und sein Sohn François Joseph.
Das Ziel des Klavier- und Harfenbauers Sébastien Erard war es, die Harfe noch chromatischer zu machen. Denn inzwischen waren die Anforderungen in der Musik erneut gestiegen: Es musste möglich sein, sämtliche chromatische Töne zu erzeugen. Dies war mit der Einfachpedalharfe jedoch nicht möglich, da sie nur über einen einstufigen Mechanismus verfügte. Auf ihr konnte beispielsweise kein Des gespielt werden. In den folgenden Jahren tüftelte Erard an einem Mechanismus für die Doppelpedalharfe. Dabei wird der Mechanismus der Einfachpedalharfe verdoppelt. Das heisst, dass auf einer Saite drei anstelle von zwei Tönen erzeugt werden können. 1811 konnte die Doppelpedalharfe nach Jahren harter Arbeit endlich vorgestellt werden.
Das Orchester wurde in der romantischen Epoche deutlich vergrössert. Zum einen nahm die Zahl der Musiker stark zu, zum anderen wurden viele Instrumente neu ins Orchester einbezogen. Dazu gehörte unter anderem auch die Harfe. Besonders oft wurde sie von Opernkomponisten eingesetzt. Allerdings ist es anfangs nicht allen Komponisten gelungen, angenehme Stimmen für Harfenisten zu schreiben. Hector Berlioz, der eine enge Freundschaft mit dem genialen Harfenisten Elias Parish-Alvars pflegte, gab in seinem Buch “Grand traité d’instrumentation et d’orchestration moderne” anderen Komponisten Ratschläge, wie sie am besten für die Harfe zu schreiben hatten. So warnte er sie zum Beispiel davor, allzu chromatische Stimmen für die Harfe zu komponieren, da dies mit den Pedalen manchmal kaum spielbar war. Bald schon setzten viele grosse Komponisten wie Richard Wagner, Giuseppe Verdi, Giacomo Puccini, Gustav Mahler, Richard Strauss und Pjotr Iljitsch Tschaikowsky die Harfe in ihren Orchestern ein. Um den Klang zu verstärken, wurden bis zu acht Harfen verwendet.
In der Zeit des Impressionismus war die Doppelpedalharfe immer noch weit verbreitet. Zur gleichen Zeit stellte Gustave Lyon, Chef des Musikhauses Pleyel, eine chromatische Harfe mit gekreuzten Saiten her. Sie wird daher Pleyelharfe genannt. In ihrem Aufbau ähnelte sie stark der spanischen Barockharfe „arpa de dos ordenes“. So hatte sie eine Reihe mit diatonisch und eine mit chromatisch gestimmten Saiten. Die beiden Saitenreihen wurden gekreuzt. In ihrer äusseren Erscheinung und im Klang gleicht sie aber eher der Doppelpedalharfe. Lyon baute diese Harfe, da er in der Doppelpedalharfe einen grossen Nachteil sah: Chromatische Noten waren mit immenser Pedalarbeit verbunden. Allerdings hatte auch die Pleyelharfe ihre Nachteile: Ein Glissando konnte nur in C-Dur oder pentatonisch auf den chromatisch gestimmten Saiten gespielt werden.
Nun entfachte ein Kampf zwischen den Harfenbauern, denn beide wollten beweisen, dass ihre Harfe die bessere war. So beauftragte das Musikhaus Pleyel Claude Debussy damit, ein Stück zu schreiben, welches nur auf der chromatisch gestimmten Pleyelharfe spielbar sei. Es entstand das Werk „Danses sacrée et profane“: Dieses Werk beinhaltet enorm viele chromatische Passagen und ist deshalb auf der heutigen Konzertharfe sehr schwierig zu spielen - es ist jedoch machbar. Diese Auftragskomposition brachte den Direktor des Harfenbauunternehmens Erard dazu, ebenfalls ein Stück schreiben zu lassen. So beauftragte er Maurice Ravel mit der Komposition eines Stücks, welches nur auf der Doppelpedalharfe gespielt werden konnte. Ravel komponierte das Werk „Introduction et Allegro“: In diesem Stück kommen Glissandi in verschiedenen Tonarten vor und so ist es auf der Pleyelharfe unspielbar. Schliesslich setzte sich die Doppelpedalharfe durch.
In der Zeit des Impressionismus schrieben ausserdem zum ersten Mal berühmte Komponisten spezifisch für Harfe. Vorher waren es eher Harfenisten, die für ihr Instrument komponierten.